American Hustle

AMERICAN HUSTLE

GAUNERKOMÖDIE FALSCHES SPIEL MIT „AMERICAN HUSTLE“ DURCHS AMERIKA DER WILDEN 70er-JAHRE ALS ERGÄNZENDES ÄQUIVALENT ZU HILLS „DER CLOU“, 1973: IN DAVID O. RUSSELLS („SILVER LININGS“, 2012) SKURRIL-RAFFINIERTER ODE PRELLEN CHRISTIAN BALE, AMY ADAMS, BRADLEY COOPER UND JEREMY RENNER ALS KLUGE, SUBTIL-GEWITZTE TRICKBETRÜGER REIH UND GLIED. DIE BUNT-SCHILLERNDE SEIFENBLASE INKLUDIERT VERRAT, TRAGIK UND KORRUPTION UND ZOCKT DAS PUBLIKUM BRILLANT AB. – „AMERICAN HUSTLE“ IST AUCH IM BESTEN SINN EIN MAKABRER UND SCHRÄGER, SCHRILLER KRIMI: EIN HINREISSENDES UND POMPÖSES MEISTERSTÜCK MIT GRANDIOSEN CAMEOS VON JENNIFER LAWRENCES PAMPIGER WILDKATZE SOWIE ROBERT DE NIROS WIDERLICHEN MAFIABOSS

AMERICAN HUSTLE

David O. Russells („Silver Linings”, 2012) „American Hustle” ist ein sehenswerter und ätzender Fiebertraum, dem ein besonderer Coup gelingt: Ohne die wahren Grenzen des desaströsen Sachverhalts abzuhängen, gaukelt die Satire gnadenlos stilsichere und bravourös geistreich-witzige Unterhaltung vor. Letztlich ist es ein Kriminalfall von fetten Schmiergeldern, der abrockt und den Zuseher in eine verzwickt-spannende Tragikomödie schleppt. – Nach einer wahren Begebenheit der sogenannten New Yorker „FBI-Abscam”-Operation, die 1980 zur Verurteilung eines Senators und anderen skandalösen Kongressabgeordneten führte

Kunstgriff: Wickeln das FBI um den Finger

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AMERICAN HUSTLE  Die schmucken Trickbetrüger, Sydney Prosser (Amy Adams, l.) und Irving Rosenfeld (Christian Bale), schenken FBI-Agent DiMaso ein.

Unter der Regie eines Mannes, der sowohl von der diffizilen theatralischen Art begeistert als auch von seinem reizvoll-anstößigen Material angetrieben propagiert: „American Hustle“ erzählt mutmaßlich von dem 1978er „Abscam“-Skandal (Kurzform von: „Arab-Scam“, Araber-Beschiss) wie es Filmemacher Russell versteht, der ein opulentes Star-Ensemble von vorzüglichen Schauspielern aufstellt, in dem sich FBI-Agenten und Trickbetrüger wie Hochstapler kurzschließen, um ausgebuffte Politiker als Mitglieder einer Milieustudie von korrupten Einzelgängern, die illegal Geld abgreifen, zu schnappen. Der wunderbar-rasante, obwohl vermeintlich nach einer wahren Begebenheit beruhende, Aus-der-Luft-gegriffene-Bastard-Pop (verlagert das Ereignis in die 80er-Jahre) ist ein draufgängerisches Spektakel, hat aber auch etwas von einer verkuppelnden Shakespear’schen Komödie mit extraordinären Charakteren, die sich doppelt- und dreifach in die Quere kommen, einander übertölpeln und alle naselang frei machen, um in Würde abgefahrene Parties zu schmeißen.

Mehr Lebemänner als krasse Abzocker

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AMERICAN HUSTLE Streifzug: Irving Rosenfeld (l.), Sydney Prosser und der zwielichtige FBI-Agent Richie DiMaso (Bradley Cooper, r.) kommen bei dubiosen Geschäften richtig auf Touren.

Sydney (Amy Adams) – „Her“, 2013, – und Irving begehen aber einen folgenschweren Fehltritt und zwingen sich in eine Partnerschaft mit dem Schurken von FBI-Agenten Richie DiMaso (Bradley Cooper) – „Hangover 3“, 2013. Nachdem Irving und Sydney hops gehen, trifft der Draufgänger Richie eine Vereinbarung mit dem Duo, Weiße-Weste-Kriminelle zur Strecke zu bringen, unter anderen Camdens Bürgermeister Carmine Polito (Jeremy Renner) – „Hänsel und Gretel: Hexenjäger“, 2013, –, der wiederum den Gangster Victor Tellegio (Robert De Niro) – „Last Vegas – Ein legendäres Wochenende“, 2013, – ans Messer liefern muss. Und David O. Russell, als Meisterdramatiker seines tatsächlichen und erdachten Geschehens, tischt uns viele kleine und große Scharmützel auf. Alles inszeniert mit einer pompig herausgeputzten Verzückung. Der Film selbst funktioniert wie ein bedeutendes Hütchenspiel. Egal, wie genau Sie beobachten, „American Hustle“ überrascht Sie mit frecher Fingerfertigkeit.

Filou mit Plauze, Zigarre und Toupet

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AMERICAN HUSTLE Adipös pro forma protzig: Irving Rosenfeld (M.) weiß das Leben  zu schätzen.

Es stellt sich heraus, dass der Versuch von Resthaar, um kahle Stellen zu verbergen – das Gegenteil, die Dekolletés, das Kokain und eine Prise Verrücktheit – eine unschlagbare Kombination durchkämmt und möglichst parallel anordnet. Christian Bale („Auge um Auge – Out of the Furnace“, 2013) trägt erstere Aufzählung als Irving Rosenfeld – einem dickbäuchigen „Long Island“-Winkeladvokaten – dessen ausgeklügeltes 2-Bit-Programm fingierte Bankanleihen und den Verkauf von gefälschtem Kunstwerk einbeziehen. Von Amts wegen betreibt Irving eine Kette von chemischen Trockenreinigungs-Geschäften, allerdings ist ihm das seiner selbst nicht genug. In seinem Leben spaziert Sydney Prosser einher, ein Geschöpf der Straße. Eine Ex-Stripperin und gegenwärtig Kohle anschaffende Frau, und sie versteht Irving als Zugriff auf dessen glänzend vorgetäuschtes Kapital.

Zickenkrieg der Tussen

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AMERICAN HUSTLE Rosalyn (Jennifer Lawrence, l.), Irvings Frau, mit dem sie ein Kind hat, kriegt spitz, dass Ihr Hochstapler von Mann mit Sydney eine Beziehung unterhält.

Sydney pflegt in der Originalfassung einen unechten britischen Akzent und nennt sich „Lady Edith“. Sie schickt sich an, um in die Clique eines stilvollen Mädchens vorzudringen. Und die Dämlacke vertrauen ihr. Aber der smarte, aufgeschwemmte Rosenfeld bewundert sie. Als Irvings aus Tür und Rahmen geschobenes Scharnier und dienende Zweite-Wahl-Schnalle – Frau Rosalyn (Jennifer Lawrence) – „Die Tribute von Panem – Catching Fire“, 2013, – schöpft aufgrund ihres Mannes Verdacht, der sich auch bei Sydneys innerer Fassung widerspiegelt – beschließt sie auch in den elitären Kreis der beiden Gauner ein- bzw. aufzusteigen.

Ungezwungen sexy umgezogen

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AMERICAN HUSTLE Ein paar Stiche gehen bei der Rosenfeld auf: Gatte Irving versetzt die nun unbemannte Rosalyn (Foto) single als auch alleinstehend.

Rosalyn ist zum Sterben schön, aber sie könnte – betrunken mit Gangstern flirten, während eines Undercovereinsatzes – jemanden umbringen. „American Hustle“ verwendet „Abscam”, eine allgemeine Fußnote, um unser persönliches Verlangen – sich selbst neu zu erfinden – permanent und extravagant zu wiederholen. Und Jennifer Lawrence, in nur ein paar Szenen, erobert den schludrig-schmuddeligen Unterton der Zeitepoche, imitiert eine herablassende Seitensprungeskapade mit einer karikaturartigen sinnlichen Leiblichkeit. Russell und Eric Singers schnittig, forsches und seidiges Drehbuch dreht mehrere Plattformen auf einmal. Jeder Darsteller erhält eine Chance, um herauszuragen. Und die Besetzung ist allgemein vertraut mit einigen Veteranen von Russells zuvor erfolgten Filmen: „The Fighter“, 2010, „Silver Linings”, 2012

Aufschneider des typischen Biedermeiers

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AMERICAN HUSTLE Rosenfeld (r.) zollt DiMasos unwissender Haltung entgegen Rembrandts Original große Achtung und grübelt: „Wer ist jetzt der Meister? Der Maler oder der Fälscher?“

Dann beginnen die Volley-Fallwärtsrückzieher. Zunächst finden Sie nicht voraussehbare Kongressabgeordnete, die bereit sind das Schwarzgeld zu kassieren, so wie den gut gemeinten „New Jersey“-Bürgermeister Carmine Polito, der Geld zur Einrichtung von Casinos benötigt und Arbeitsplätze schaffen muss. Es gibt auch einen gefährlichen „Florida“-Gangster namens Victor Tellegio (Robert De Niro) – „Zwei vom alten Schlag“, 2013, –, der die Mäuse riecht. Um in David O. Russells „American Hustle“ jeden Dreh- und Wendepunkt des Filmes zu verfolgen, strahlt und prunkt eine sehr umgängliche Vergabe der Künstler individuell und im Tandem. 

Wer zieht wem wann über den Tisch?

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AMERICAN HUSTLE Camdens Bürgermeister, Carmine Polito (v. l.),  lässt sich mit Richie, Sydney und Irving auf höchste Diskretion ein.

Christian Bale, die Monstrosität des natürlichen Schauspiels, ist traurig, witzig und schlagfertig. Durch reine Willkür und Intuition leistet er seinem Betrüger Irving Rosenfeld Beihilfe, dem potenziellen Prahlhans, als unerwartet ergreifender romantischer Held. Amy Adams ist synchron verspielt und feige. Bradley Cooper ist umwerfend als sterbende Nulpe, um ernst genommen zu werden, während er nach Adams weiblicher Bauernfängerin giert. Er setzt eine hineingezwängte Distanziertheit als eingehend befragender FBI-Agent Richie DiMaso ein, einem Mann, der so komisch-gerissen wie ambitioniert ist. Und Jeremy Renner, ein Neuling in Russells Filmen, fügt eine ähnlich ausschlaggebende Ebene von leicht krummen Gewissen hinzu und treibt eine gewisse Einfältigkeit in seiner korrupten Politikermasche auf. In einem Krimi über beliebig einsetzbare Spielkarten würde es leicht sein, die optischen Drehmomente ins Kraut zu schießen.

So geht mentales Training

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AMERICAN HUSTLE Rosenfeld (l.) diskutiert umgänglich einen der möglichen Fortschritte, wohingegen Polito (Jeremy Renner)  reaktionär noch lange nicht am Ende ist …

Jedoch, Kameramann Linus Sandgren hält die tragbare Handkamera flüssig, nicht hektisch. Der gesamte Plot zwinkert zwar mit den Augen in seinen knallig-protzenden Sequenzen, aber Regisseur Russell öffnet für einen leichten Anfall von Surrealismus nie die Einbahnstraße. Die berauschende Parade der Verlierer, die denken, sie sind Gewinner, legt einen heißen Soundtrack auf, und „American Hustle“ poliert als ergänzender Äquivalentmeilenstein George Roy Hills kinematografischen „Clou“ sowie den amerikanischen Traum vom Tellerwäscher zum Millionär auf der zeitgenössischen Showbühne mit dem schreiend frivolen Geschmack und der kategorisch aufsehenerregenden Betrachtungsweise.

Russell beschäftigt sich mit seinem detailgenauen Ensemble am äußersten Limit (aber: jene Szenen wirken selten gänzlich überdreht), und der komplizierte jedoch fein strukturierte Inhalt der Dramödie sorgt auch aus dem filmischen Neoklassifizismus (ob Kenner oder Nicht-Kenner von Russell-Werken) für einfallsreiche und originell-humorvolle Unterhaltung. „American Hustle“ ist ein Meisterwerk von einer Gaunerkomödie, die seinerzeit für zehn Oscars nominiert war und keinen Goldjungen gewann.

American Hustle; OT: American Hustle, USA 2013; Länge: 138 Min.; Regie: David O. Russell; Darsteller: Christian Bale, Bradley Cooper, Amy Adams, Jeremy Renner, Jennifer Lawrence, Robert De Niro; Drehbuch: David O. Russell, Eric Singer; Kamera: Linus Sandgren; Musik: Danny Elfman; Produktion: Matthew Budman, Jonathan Gordon; Schnitt: Jay Cassidy, Crispin Struthers; Genre: Gaunerkomödie; FSK: ab 6; Kinostart: 13. Februar 2014; DVD-Start: 17. Juli 2014, TV-Premiere: 20. August 2017, ORF 1Verleih: Tobis Film GmbH.

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