SUPERHELDENACTION IN REGISSEUR BRYAN SINGERS FILMREIHE KLOTZT OSCAR ISAAC – DER ÄLTESTE ANTICHRIST IM ERBBILD DER CGI – DAS ARCHETYPISCHE WELTENDE VISUELL HIN: „X-MEN: APOCALYPSE“ BESTÄRKT DIE AM BODEN ZERSTÖRTEN MUTANTEN, DIE MIT OKKULTER MACHT DIE BÖSE GÖTTERDÄMMERUNG MYSTISCH IN DER LUFT ZERREISSEN. – DÜSTER-OPULENTES UND MARTIALISCHES SFX-TRICKGEWITTER IM BANN DER ESOTERIK-ACTION
„X-Men: Apocalypse“: Bryan Singers („Jack And The Giants“, 2013) Weiterentwicklung der Vorreihe erschüttert das 1983er-Jahr, in dem „X-Kids“ die übernatürlichen Geschöpfe von konkretem Kaliber annehmen. Die Krux: der antike ägyptische Gott Nur ist in seiner Pyramide seit Millennien scheintot gestürzt, erwacht im Tohuwabohu von heute, rekrutiert seine Jünger (vier apokalyptische Zauberlehrlinge), die er zu Action geladenen Massenvernichtungswaffen schärft, und: die kostümierte Mutantentruppe rettet erneut die Welt durch dunkle Magie.
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3600 Jahre v. Chr.: Reinkarnation auf jung
Regisseur Bryan Singers („X-Men“, 2000) „X-Men: Apocalypse“ vorläufig neunte seiner persönlich vier Aufbahrungen des abschließenden dritten Teils der zweiten „X-Men“-Trilogie, in der jeweils die älteren Schauspielgenerationen der Reihe nach schwinden, ist das unmittelbare Kanapee von „Zukunft ist Vergangenheit“ (das Werk ist ursprünglich eine Dekade zuvor in einer Saga von Zeitreisemutanten auferstanden – anno 1973) und erliegt der kinematografischen Retrospektive „X-Men: Apocalypse“ (trägt sich im Jetzt des Jahres 1983 zusammen) als Ursprung wie auch Neuanfang der Superhelden mit biblischer Weissagung.
Pompös: Apocalypses Vermächtnis
Schreckensherrscher En Sabah Nur, genannt Apocalypse (Oscar Isaac) – „Star Wars: Episode 7 – Das Erwachen der Macht“, 2015, –, richtet neulich mirakulös das alte Kairo, wo er nach der Regentschaft über die Zivilisation der Welt für die Ewigkeit sinniert als Schergen inklusive dem Vorhaben, das da heißt, den Ketzer unter seiner Pyramide zu begraben fehlschlägt. So wie sich nach oben hin das Wesen des schaurigen Stufenbaus, der sich aus einer großen Menge Bausteine zu Stapeln auftürmt und in einer Sache dito zuspitzt: Apocalypses Seelenwanderung verjüngt sich im richtigen Körper am richtigen Ort, steht aber zur falschen Zeit auf …
„Tomb Raider“ in der heiligen Gruft
Etwa 5500 Jahre später: CIA-Kopf Moira MacTaggert (Rose Byrne) – „Spy: Susan Cooper Undercover“, 2015, – hat nichts weiter zu tun als genial am Rad der Zeit zu drehen, indem sie insistiert, dass die herbeigerufene Volksmasse und die Bibelschreiber Nurs sein fossiles Gedankengut in die Gegenwart entlehnen. Moira leuchtet zivil in Apocalpyses sinistres Mausoleum, die Wiedergeburt des gerissenen Satans durch dessen religiöse Helfershelfer kann aber auch sie nicht verhindern.
Da grübelt der „X-Men“-Fan inspiriert, wie der Titel impliziert, über ein kontemporäres Endzeitspektakel, das der eingehenden Aha-Erleuchtung des populär-bombastischen Superheldengenres wissenschaftliche Phänomene der Parapsychologie zu Grunde liegen und sich der mutierte Apocalypse fünftausend Jahre die Füße in den Bauch steht, doch: die zweckdienlichen Noch-Bösewichter (z. B. „Psylocke“, „Storm“) geraten außer sich und ohne Verzug ins Armageddon, das aber mitnichten ein Beinbruch ist.
Hitzkopf: Brennen muss Salam!
Nur ist also erwacht und ob der für ihn tragisch-unsäglichen Zustände des gegenwärtigen Kairos mehr als nur erzürnt. Und auch deshalb, damit im altertümlichen Morgenland seine auserwählte Diebin Storm alias Orora Munroe (Alexandra Shipp) – „Straight Outta Compton“, 2015, – nicht im Kerker dahinsiecht bzw. von orientalischen Assassinen flachliegt, köpft das göttlich zu Fleisch gewordene in den Vererbungsanlagen veränderte grüne Ungeheuer mit bloßem feingelben Sand drei Männer, um kurz darauf den nächsten paganen Häscher mit der gnostischen Abraxas-Vorstellung in die Lehmwand eines Hauses zu pixeln.
Weltraummüll: Atomraketen gehen hoch
Trotzdem ist Nur kaum ausgetüftelt, um fern aller anderen Schurken in „X-Men: Apocalypse“ abzuheben. Sein Schauspiel versteckt sich hinter einer Digitrick-Gummimaske, und: er hegt eine widerliche Abscheu gegen die verheerenden humanen Waffen, um selbige aus seinen vier Tod bringenden Jüngern – als da wären: Storm, Angel (Ben Hardy) – „No Way Out: Gegen die Flammen“, 2017, –, Psylocke (Olivia Munn) – „Zoolander No. 2“, 2016, – und Magneto aka Erik Lehnsherr (Michael Fassbender) – durch vielmehr Simsalabim zu transferieren. Was, ein possierlich befremdlicher Gott oder ein sich widersprechender verwerflicher Mutant?
Xtraklasse-LAN des elitären M-Netzes
Charles Xavier alias Prof. X (James McAvoy) – „Split“, 2016, – und Dr. Hank McCoy (Nicholas Hoult) – „Mad Max 4: Fury Road“, 2015, – können nicht ab im Cerebro, dem virtuell-digital generierten Spürhund Hanks der geheimen subterranen Kuppel der auserlesenen Schule, weil Apocalypse die In-Software von McCoy mental zum Vorteil gereicht. Frontal ausgestattet hockt im Innern des Doms eine radiale Panel-Applikation, die zirka auf imaginärem schwarzen Himmelszelt grafisch wirft: weiße elektronische und rote metaphorische Schaltkreise, quasi die Allerwelts-Mutanten und Agentin Moira, die sich per C-Video kurzschließt sobald X den Nicht-drahtlos-Helm über seinen Kopf stülpt. Echt humorig, die Beziehungskiste, als sich Xavier über Moiras Spross schlau macht: „Hat ihr Sohn einen Mann?!“ Und Havok (Lucas Till) – „Wolves: Die Letzten ihrer Art“, 2014, – lächelt dazu noch im CIA-Hauptsitz aufgrund Charles’ naiv-hörigem Liebesbekenntnis heraus gewitzt in sich hinein.
Apropos Alex Summers, genannt Havok, der Kumpel schlechthin stellt sein Geschwisterteil Cyclops vulgo Scott (Tye Sheridan) – „Dark Places: Gefährliche Erinnerung“, 2015, – Charles Xavier vor, während Alex eben auf dem Campus mit seinem Bruderherz und den anderen X-Kommilitonen wörtlich aufschlägt: „Wo ist dein großes, blaues, pelziges Ding?“ – „Ich habe es so ziemlich unter Kontrolle!“, fügt Dr. McCoy lapidar an. Cyclops, die höhere Gewalt, führt sich analog ein, fackelt nicht lange herum und spaltet mit seinen glühenden Alarmstufe-Rot-Laseraugen Xaviers Ahnen: Der Stammvater ist das Lieblingholzgewächs vom Opa und entzweit! Eigentlich ist es schon so, um auf die Bäume zu klettern, aber Charles macht sich von dem landläufigen Glauben seines neuen Bewerbes Scott Summers frei: „Hahahahaha!“ Darauf Cyclops beschämt: „Bin ich nun der Schule verwiesen?“ – Prof. X: „Ganz im Gegenteil … du hast dich direkt eingeschrieben!“
Geballte Ladung: Hüter der Eisentrümmer
Neu eingeschrieben ist auch Erik Lehnsherr, besser bekannt als Magneto (Michael Fassbender) – „Assassin’s Creed“, 2016, –, in „X-Men: Apocalypse“, der just seine Tochter und Frau vor den mit blindem Eifer verbissenen Fabrikarbeitern schützt als er einem anderen Kollegen hyperphysisch das Leben schenkt. Erik zieht sich in Polen – wo der SS-Mann Sebastian Shaw (Kevin Bacon) – „Black Mass“, 2015, – mittels Zorn und Schmerz Magnetos Macht als Kind freisetzt, seinerzeit im KZ der okkupierten Stadt Oświęcim (dt. Auschwitz) – eine weitere Existenz aus dem Metall der Erde; eine wunderschöne Gattin und ein zauberhaftes Mädchen. Ähnlich wie in „Erste Entscheidung“ verwertet auch Apocalypse Sebastians Herangehensweise psychoanalytisch: „Wir sind die Zukunft der Menschheit, Erik!“
„Anti-X“ verleiht Erzengel Flügel aus Stahl
Die Arbeiter registrieren auch das düstere Blendwerk Eriks und sehen Magneto aufgrund früherer Missetaten postwendend in Zeitungsausschnitten im nahgelegenen Wald tot verscharrt. Doch die rechte Tragfläche der Malocherpartei geht nicht ganz auf: „X-Men: Apocalypse“ übergibt die Tagelöhner platt und dingfest der Erde. Erneut gilt es zu fassen, dass die adäquate Darstellung von McAvoy und Fassbender im Vergleich zum alterprobten M-Duo (Stewart und McKellen) angemessen die Stirn bietet, obwohl die geistige Spannweite vom statischen Auftrieb letzterer Teile kaum Wind bekommt, und: Magneto als Drückeberger mit noch nicht verheilten Wunden oder alten Traumatas faktisch flügge geht, um sozusagen als Logan-Ableger, folglich Wolverine (Hugh Jackman), sprich: zwiegespaltener „Weapon X“-Söldner dem Tier nach ist.
Gleichermaßen, kraft der erläuternden Haltung von Erik, beruhend auf dem Verhältnis der ursprünglichen Trilogie, in der Magneto synchron die Weltherrschaft in Angriff nimmt, um die singuläre blutsverwandte wie spezielle Splittergruppe einer x-beliebigen Mutanteneinheit abzuwerfen, ist das grundsätzliche Konzept Magnetos über den Haufen geworfen. Modal richtet sich Charles zu gütig durch flehendes Bitten auf den Wiedereinstieg Eriks, der aber nur mit Mühe das Lehnsherr-Original behauptet. (Das Geschehen unterbreitet die unzutreffende Realität Magnetos, der sich in Polen verkriecht.) Was der echte X-Fan der Serie ebenfalls berücksichtigt und unter der abschweifenden Szenerie des Sündenbocks, auf dem bekanntlich die Schuld lastet, wie selbst Magneto dünkt, und die Leuchte von Zuschauer genauso anspricht.
Ziehen zu Felde: Teenage Mutant X-Kids
Zu Beginn des Actioners steht Raven respektive Mystique (Jennifer Lawrence) – „American Hustle“, 2013, –, je nachdem, wer nach ihr ruft, ihre Frau in Ost-Berlin. Sowohl einer Detektivarbeit als auch Recherche noch Cerebro zu folgen, nimmt Raven dessen ungeachtet das räumlich-körperliche Empfinden wahr, dass Angel (Ben Hardy) und Teleporter Nightcrawler aka Kurt Wagner (Kodi Smit-McPhee) – „Slow West“, 2015, – zur lokalen Mutantenschlacht auf Leben und Tod gegeneinander antreten. Regisseur Singers Krawallmacher zieht Jennifer Lawrence ganz schön die plastische Rolle aus. In 144 Minuten stöbert Mystique anfangs zivil ihre Freunde in der DDR auf und bringt mit Kodi Smit-McPhee ihren versuchten Angriff vor dem nicht durchdringlichen (dank starker Interferenzen) Schutzschild Apocalypses Neo-Pyramide ebenso unrühmlich zum Abschluss.
Donnerwetter: Blitzt & poltert reine Energie
Und in Ost-Berlin elektrisiert es die handgreiflichen Käfigeier direkt: Wagner entmaterialisiert wie die Technonadel auf dem frisierten 83er-Armaturenbrett im Hochspannungs-Maschendraht mit dem Ton einer Gelse hin und weg; der Erzengel hingegen mit den Geraden im Luftloch-Tandem. Nun freilich, schaltet die syntaktische Mystique per Formwandlung auf den rebellierenden Kehricht und befreit Nightcrawler; der Mutantengott angelt sich schließlich Angel, der nun nebst Storm und Psylocke Federn lässt und kurz gehalten vom Endschicksal des einzelnen Menschen und der Welt mit individuellen Stahlschwingen ausgerüstet ist. „X-Men: Apocalypse“ rückt die Intention des Jüngsten Gerichts nun in den Vordergrund. Hierfür fehlt dem ambrosischen Kleiderschrank von Gott bloß der andere Klotz, Magneto, wobei: beide sind sich noch lange nicht grün …
Krieg der fantastischen Welten
Doch Jean Grey, also Phoenix (Sophie Turner) – „Secret Agency: Barely Lethal“, 2015, –, empfängt einen chiffrierten Albtraum mit ruinösen Bildern, in denen Charles Xavier Hände haltend Jeans wahnhafte und horrende Vorstellungen durch Nurs Auferstehung und dessen bevorstehenden Weltuntergang gleichsam als ihren Kopfgeist aus der Flasche saugt. Und wir sehen Jeans psychisch starke Wunden im Schlaf zusehends mit erschütternden Bildern, in Form einer möglichen Ragnarök. Jean Grey schon einmal von X als potentiell gefährlichste Mutantin der Welt tituliert, wirft sich letztlich in Schale und schenkt Apocalypse mit ihren übersinnlichen Kräften rundum ein, sodass Psylocke und Storm überlaufen, Magneto sowieso, und: endlich geht das grüne Maskenmonster zum Teufel!
Auf Speed: Bahnbrechend durch Überschall
Zugegeben, Regisseur Singers Superheldenepos ist eingangs sprunghaft und der Gegebenheit geschuldet, um die zahlreichen Charaktere für das Publikum einzufangen. Singer kreiert jedoch mit Augenzwinkern martiale Action, die sich in Heerscharen von Trümmerlandschaften kombiniert. Auf jeden Fall zählen Quicksilvers (Evan Peters) – „The Lazarus Effect“, 2015, – Wurfparabeln zu der wunderbar-märchenhaften, witzigen und dynamischen Retro-Popkultur, die in „X-Men: Apocalypse“ im wahrsten Sinne des Wortes begeistert. Wie Quicksilvers Plädoyer: „Ich lebe bei meiner Mutter, okay. Nach all meinen heroischen Taten hat sich … äh, ja gut, nichts verändert. Und eigentlich bin ich so ziemlich derselbe Versager wie früher!“ Da verzeiht der Fan fast jedes x-te Klischee …
X-Men: Apocalypse | OT X-Men: Apocalypse | USA 2016 | Länge 144 Min. | Regie Bryan Singer | Darsteller James McAvoy | Michael Fassbender | Jennifer Lawrence | Nicholas Hoult | Oscar Isaac | Rose Byrne | Sophie Turner | Evan Peters | Tye Sheridan | Lucas Till | Ben Hardy | Kodi Smit-McPhee | Alexandra Shipp | Olivia Munn | Ally Sheedy | Lana Condor | Drehbuch Simon Kinberg | Kamera Newton Thomas Sigel | Musik John Ottman | Produktion Simon Kinberg | Hutch Parker | Lauren Shuler | Bryan Singer | Schnitt Michael Louis Hill | John Ottman | Genre Superheldenaction | FSK ab 12 | Verleih Fox Deutschland | Kinostart 19.05.2016 | DVD-Start 22.09.2016 | TV-Premiere 25.02.2018 | PRO 7