UTOPISCHE KFZ-ACTION FAST & FURIOUS: TOM HARDYS WORTKARGES RAUBEIN RAST MIT CHARLIZE THERON DURCHS WASTELAND – WÄHREND DER IRRE IMMORTAN JOE IN EINER WELT AM RANDE DES ABGRUNDS DAS LEBENSELIXIER WASSER UND BENZIN HORTET – ABER DAS PAAR IST EINFACH NICHT ZU BREMSEN! – GEORGE MILLERS „MAD MAX 4: FURY ROAD“ IST EIN VISUELL BEEINDRUCKENDES ENDZEITSPEKTAKEL MIT HYPERFRISIERTEN MONSTERTRUCKS UND HITZIGEN VERFOLGUNGSJAGDEN ALS WÜST BLEIHALTIGER NEOWESTERN
„Mad Max 4: Fury Road“: Der beinharte Excop Max Rockatansky (Tom Hardy) – „The Dark Knight Rises“, 2012, – streunt als Geächteter weiter durchs australische Outback, trifft in der Einöde den wahnsinnigen Immortan Joe (Hugh Keays-Byrne), der Aquacola und Sprit bunkert und tausenden degenerierten Überlebenden die Ressourcen seiner Zisterne stilllegt. Imperator Furiosa (Charlize Theron) – „Prometheus: Dunkle Zeichen“, 2012, – verstärkt den Adrenalinjunkie Max, der den Henker an die Kandare nimmt und zum Rächer der Enterbten wird
Heizt radioaktiv durch die Pampa
Wir haben Max Rockatansky schon früher einmal getroffen. In „Mad Max“, 1979, erblickt der liebevolle Familienvater – wenngleich nicht näher charakterisiert als knorrig-unrasierter Bulle (seinerzeit von Mel Gibson verkörpert) – erstmals unter seiner Haube den neuen Zylindertopf (aufgetakelt von seinen Copkumpels), worauf der Gesetzeshüter auf Furcht erregende Rache schwört als Krawallbrüder nach einem brandschatzenden Raubzug Frau und Kind zur Strecke bringen: „Mad Max 4: Fury Road“ setzt in der Savanne ein Nomadenleben in Gang und räumt wie im zweiten rauen Abschnitt die brutalen Plünderer aus dem Weg.
Millers vierte klotzig aufgeladene Götterdämmerung – nach einer Dritten durch Schweinescheiße schaufelnden mit Methangas angetriebenen im Dreckloch Bartertown (in dem die Donnerkuppel herausragt und Tina Turner) – beschleunigt seinen turbulenten Fahrerwechsel in „Mad Max 4: Fury Road” entlang derselben staubig-verwahrlosten Straßen, auf denen nun Tom Hardy („Inception“, 2010) als der total verrückte Max den „Elch“ testenden, kippsicheren, aufgebockten und Räder entlastenden, darum auch nie den Kontakt zum Boden verlierenden sowie tief gelegten Benzinschleudern hinterher schaltet.
Zäh wie Leder: der Vollstrecker
Max Rockatansky kehrt in „Mad Max 4: Fury Road” in ähnlicher Gestalt wie in den Vorläufern zurück. Alle drei vorausgehenden Filme ziehen sich unter der Regie von George Miller als ein Action geweitetes, abstraktes und mordsmäßiges Fragment von verwehter Steppe zwischen kargen Hügeln und schroffen Felsen durchs australische Outback und erlangten die Reputation eines Kults. Und heute, wie damals, ist Max aufgewiegelt, um einfach nur zu überleben …
In „Mad Max 4: Fury Road“ taucht er wieder als rebellischer nach Selbstjustiz sinnender Auswuchs auf, sodass sich die Überholenden gegen die schmuddeligen Ausgebremsten schneller totlaufen, als er abhalftert und trotzdem keine Erlösung findet. Maxs Kluft, wie sein Auto, ist schwarz verbeult. Das KFZ namens Interceptor, ein auffrisierter Ford XB Falcon Coupé, hat auch in dem Scifi-Abenteuer einen kurzen Auftritt mit unserem neuen Titelhelden und Abfangjäger Tom Hardy.
Zündet gigantisches Feuerwerk
Es führt ein Weg zurück (die rasante Zweistundenrallye platziert eine Kehrtwende) in Regisseur George Millers postapokalyptischem Autorennen, das er 3 Dekaden nach der Erfolgstrilogie intensiviert, doch die dazugehörigen steinig-holprigen, zumeist gerade verlaufenden Vehikelschneisen, die sich kaum gabeln oder schlängeln, stehen optisch zu den zahlreichen und fulminanten Kameraschwenks in einer Flucht, die es nach vorn anzutreten gilt. Das ist Millers konventionelle Verfahrenstechnik, an der auch für Mad Max kein Weg vorbei führt, aber einen wesentlichen Unterschied gegenüber den drei anderen Schrittmachern in den Gummi brennt: Vollgas voraus!
Regisseur Miller inszenierte in der Zwischenzeit völlig entgegengesetzte Filme wie die Horrorkomödie „Die Hexen von Eastwick“, 1987, das rustikale Lustspiel „Schweinchen Babe in der großen Stadt“, 1998, als auch die familientauglichen Animations-Pinguine in „Happy Feet“, 2006, und „Happy Feet 2“, 2011, und richtet die Weiterführung der jüngsten Fortsetzung mit grotesk-dämonischer Atmosphäre und Fantasie aus. Wenn überhaupt, setzt er in „Fury Road“ seinen schweigsamen Beduinenkämpfer noch übergeschnappter und autoverrückter in den Sand.
In Stein gemeißelter Totemschädel
Inmitten von Nirgendwo, umgeben von einer hoch aufragenden und wuchtigen Felsnadel, umschließt der Bergfried ein Naturschutzgebiet und umfunktionierte Zisterne, die für Abertausende vergammelte Überlebende die Stelle mit einer Quelle und großvolumige motorisierte Kutschen beherbergt. Das ist die Wüstenhochburg von Immortan Joe (Hugh Keays-Byrne), einer blutrünstigen Gestalt von abscheulichem Aussehen und Wams.
Aber dieser bewohnte Ort ist keine Oase des Friedens. Immortan Joe befehligt herablassend ein Gewimmel von zurechtgestutzen Kriegshunden, den sogenannten Warboys, die einen gewaltsamen Tod als Bestimmung des Lebens im Zustand völliger Ruhe sehen. Seine ekelige Haut ist in einer transparenten Brustplatte eingesperrt, und er atmet durch eine Maske, die mit vergilbten Pferdezähnen bewaffnet durch einen Blasbalg röchelt.
Aussätzig: Mann mit eiserner Maske
George Millers „Mad Max 4: Fury Road“ legt sich (wie in den ersten Teilen) auf die nahe Zukunft fest. Es gibt keine Städte oder Zivilisationen mehr. Die Landschaft ist verdurstet, Wasser – bekannt als Aquacola – ist streng rationiert, und andere Ressourcen, insbesondere Superbenzin, werden gehortet. Man muss sich – um das natürlich vorhandene Inventar (wie Essensreste) in die Finger zu kriegen – den Kopf einschlagen oder sogar den Kannibalismus auspacken, falls nicht Taranteln, Skorpione und andere Kriechtiere auf dem Speiseplan stehen. Siehe Nicholas Hoult!
Ein zurück zu den Kängurus und Koalas, ein zurück auf die asphaltierten Straßen, ein zurück in die Urbanität und zurück in Richtung „Kapstadt“ ist genau so wenig existent. Aber der spartanische Freiraum mit dem Vernichtungslager heißt die Ausreißer wieder willkommen. Und Max Rockatansky ist ein solcher Ausreißer wie jeder andere auch. Aber bevor wir uns dem Verlauf der Action nähern, wird er gefangen genommen und in die Sklaverei bei der Zitadelle von den blutrünstigen Kriegsherren abgeschleppt.
Teufel auch und Kruzifix: die Kühlerfigur
Max flieht aus der Zisterne, nur um an der Vorderseite von Slits (Josh Helman) – „X-Men: Apocalypse“, 2016, – Schlitten als menschliche Frontschürze herzuhalten, ausgesperrt und angeprangert an ein dämonisches Holzkreuz. Tom Hardys Fans, die ihn in „The Dark Knight Rises“, 2012, frenetisch feiern, wo er Bane im Flattermann-Teil mimt, dürften wenig begeistert sein, dass ihr Held in „Mad Max 4: Fury Road“ streng genommen mehr den Beifahrer spielt.
Und es kommt noch schlimmer für Rockatansky-Schwärmer. So wie Sie sich fragen, ob der ruppige Kerl sich immer frei und der Sache dienend makaber zu äußern vermag, hat die komischen Bemerkungen Imperator Furiosa (Charlize Theron) – „A Million Ways To Die In The West”, 2014, –, die neue Bekanntschaft von Mad Max, auf ihrer Seite: „Willst du das Ding aus dem Gesicht!?“ Dagegen spricht einer seiner längsten Dialoge: „Hoffnung ist ein Fehler!“
Ach, du dickes Rohr!
Diesmal hat er an der Unternehmung Sattelschlepper flüchtig Anteil. Der stramme Max schaukelt die Takelage zwar temporär, darf aber froh sein, dass er nicht als Schutzblech unter die Räder kommt. Denn Oscarpreisträgerin Charlize Theron hat als die ungeheure Furiosa Vorfahrt und die Hand am Steuer. Der Blick ist auch geradeaus viel stärker auf die Herrscherin des Schwertransporters als auf Rockatanskys Nervenkitzel bei der Inbetriebnahme desselbigen gelenkt.
Furiosa hat für knifflige Situationen eine Armprothese parat, und sie ist bestrebt, mehrere voneinander getrennte Hauptsachen miteinander zu kombinieren: schwarzes Schmierfett auf Haar und Stirn. Furiosa ist auch eine Pilotin – von Joes Schergen eingesetzt, sie transportiert wertvollen Brennstoff, der plötzlich abtrünnig vom Kurs geht – die den gewaltigen und schnaubenden LKW besteigt und manövriert, natürlich.
Fantomas: Zukunft ist Vergangenheit
Eine Verfolgungsjagdposse per Transporter und anderen mit Nitrobenzol abgefüllten Öfen ist ebenfalls ausgelöst, um Furiosa über die Klinge springen zu lassen, und: wir entdecken bald ihre verborgene Fracht – Frauen, fünf junge Weibsen – die von Immortan Joe gefangengehalten und dazu verdammt ist, seine Kinder auszutragen.
Dabei soll Nux (Nicholas Hoult) – „X-Men: Apocalpyse”, 2016, – den Anschlag auf Max verüben, fühlt sich aber zu Joes erster Frau, The Splendid Angharad (Rosie Huntington-Whiteley) – „Transformers 3: Die dunkle Seite des Mondes”, 2011, –, hingezogen und läuft allmählich wie eine Wanderdüne (auf die gesamte Spielfilmlänge gesehen) zu Max über, weil er sich in Angharad verknallt.
Undercover-Versand
Unser erster Eindruck der Mädels verheißt nichts Gutes: Schlaksige Schönheiten, in Mullbinden-Unterwäsche drapiert, die in der Mitte der Unwirtlichkeit auf Furiosa treffen. Man muss eben die Geschichte, die Einöde des Landes und die Lebensbedingungen der Menschen kennen und in Rechnung stellen.
Der Film steigert hier seine Dreh- und Oktanzahl als Beweis für weibliche Widerstandsfähigkeit, dank einem kleinen und in Lederhosen getrimmten Stamm von Matriarchinnen – The Vuvalini genannt – in „Mad Max 4: Fury Road“ als schöne alte Motorradküken beschrieben. Im Herrensitz aufstoßende Tretmühlen, die Sanddünen auf und ab flitzen, die Max und Furiosa und die Frauen auf den letzten Streckenhöhepunkten der Handlung protegieren.
Nirvana statt Walhalla
Die gute Nachricht ist, dass „Mad Max 4: Fury Road“ für den Actionliebhaber jede Menge Spaß bedeutet und jede Menge fürs Auge und in einer anderen Liga auf der Kippe zum Irrsinn existiert. Millers Beifall zu den retrofuturistischen schrottreifen Wüstenkreuzern ist gegenstandslos erzwungen, in dem er im Film zwar jedem Fahrzeug einen Namen verleiht, aber die Kutschen sind bloß schrille mobile Charaktere, die visuell überladen und in Bodennähe nicht tragbar sind, während die echten Charaktere wenig Seele bieten.
So wie zum Beispiel die „Doof Wagon“-Persönlichkeit, auf dem ein Krieger (iOTA) mit einem Bungeeseil hängt und Powerakkorde auf seiner Heavy-Metal-Doppelhals-Gitarre hämmert, um sich geradezu akustisch von der Bühnenladefläche zu schmeißen, und: Die E-Gitarre feuert auch als Flammenwerfer los. Das allein steigert gleichzeitig die Einspeisung von Strom und Benzin, denn erneuerbare Energiequellen (wie Windräder oder Ölpumpen) stehen nicht zur Verfügung.
Express in die Hölle
„Mad Max 4: Fury Road“ spritzt minutiös und grundlegend durchdrehende Räder wie verkleidete Unterböden bei geringem Luftwiderstand der gesamt fahrlässigen Handlung ein. Angenommen, Sie bevorzugen spektakuläre Stunts, verrückte Charaktere und nicht ganz klischeefreie Heldentaten, dann haben Sie für ihren privaten Flachbildschirm akkurat das richtige dystopische Abenteuer gezogen.
Regisseur George Miller schafft mit „Mad Max 4: Fury Road“ einen kinetischen, halluzinatorischen, kühnen Verfolgungsstreifen, der auch einem gesetzwidrigen postmodernen Western nahekommt und mit seiner gehetzten Videoclipästhetik und erschütternden Überlebenskämpfen jeden bahnbrechenden „Fast & Furious”-Genrefilm im verstrahlten Staub davonzieht …
Mad Max 4: Fury Road | OT Mad Max: Fury Road | USA|AU 2015 | Länge 120 Min. | Regie George Miller | Darsteller Tom Hardy | Charlize Theron | Nicholas Hoult | Doug Mitchell | Josh Helman | Nathan Jones | Zoë Kravitz | Rosie Huntington-Whiteley | Drehbuch George Miller | Brendan McCarthy | Nick Lathouris | Kamera John Seale | Musik Junkie XL | Produktion George Miller | Doug Mitchell | P. J. Voeten | Schnitt Jason Ballantine | Genre Scifi-Actionabenteuer | FSK ab 16 | Verleih Warner Bros. GmbH | Kinostart 14.05.2015 | DVD-Start 17.09.2015 | TV-Premiere 15.12.2017 | PRO 7
Wie immer macht es einfach nur spass deine feinwitzige rezenzionen zu lesen 😉