THRILLER-KRIMI-DRAMA „RUHET IN FRIEDEN“: KNALLHARTE, BITTERBÖSE UND DÜSTER ATEMLOSE HETZJAGD MIT VIEL LOKALKOLORIT – ORIGINELL, MACHTVOLL ERZÄHLT, COOL UND ECHT PACKEND WIE GLÄNZEND GESPIELT
In Scott Franks Autorenfilm, „Ruhet in Frieden – A Walk Among The Tombstones”, ist Liam Neeson („Non-Stop”, 2014) Detektiv Matthew Scudder, ein Ex-Bulle und Säufer, der zwei Spinner kaltstellen soll, die Frauen entführen und Lösegeld erpressen. Ein konventioneller Thriller? Mitnichten, denn die zwei Geistesgestörten schicken die Geiseln als Chopsuey in Päckchen zerstückelt an ihre Ehemänner zurück, was den traumatisierten Liam Neeson auf den Plan ruft, um den Verrückten ein für alle Mal das Maul zu stopfen. – Kühl, düster-spannender Neo-Noir-Krimi mit verschachtelter Story und Extra-Nervenkitzel.
Trocken am Abzug: Spürnase Scudder
„Ruhet in Frieden” ist kein 08/15-übertriebener-Rache-Streifen, in dem die guten triumphieren und die bösen Jungs ihre wohlverdiente Strafe erhalten. Geschrieben und inszeniert von Scott Frank (zu dessen früheren Drehbüchern „Schatten der Vergangenheit“, 1991, „Schnappt Shorty“, 1995, „Out of Sight“, 1998, „Minority Report“, 2002, „Die Dolmetcherin“, 2005, und „Wolverine: Weg des Kriegers“, 2013, zählen), geht es in diesem Genrefilm um die Vergänglichkeit (und vielleicht Illusion) der Erlösung. Die weißen Hüte sind dunkelgrau wie mit Asche und Ruß gebeizt. Die Schurken sind gewunden, grausam und bitterböse. Der Held – Matthew Scudder (Liam Neeson) – „Non-Stop“, 2014, – kaum anders. Der Verlauf des Krimis ruft Ekel vor den entsprechenden Zeiten (durchsiebt das Jahr-2000-Problem) hervor, und „Ruhet in Frieden“ kann gerade eine unangenehme und manchmal beängstigende Erfahrung sein.
Das ist keine Hipp-Hipp-Hurra-Investigation, bei der die Zuschauer Beifall klatschen, wenn die guten Jungs den Spieß gegenüber ihren Feinden umdrehen. Und es ist kein anderer „96 Hours“, 2008. Das Drehbuch ist hartnäckig. Es gibt keine witzigen Bemerkungen oder Versuche zur komischen Auflockerung, es sei denn, Sie erfassen die eben angesprochenen Zeichen des drohenden Y2K-Untergang-Jahres. Die Geschichte beginnt 1991 und sickert im Jahr 1999 durch. Die Zahl der Toten ist hoch – ungefähr im zweistelligen Bereich – aber die Art und Weise, in der Frauen misshandelt und getötet werden, assistiert eine realitätsferne Tragweite. Der Gast-Blogger „El Cabeza“ weiß, dass Liam Neeson auch im Gespräch als Akteur für College Filme 2013 war. Bitte urteilen Sie nicht zu hart bei seinem Blog.
Ruhet in Frieden: Das Gesetz der Straße
Wir schreiben das Jahr 1991, als sich die Gewalt frappierend in die Richtung eines 10-jährigen Mädchens wendet: Matthew Scudder – der Protagonist von 17 Romanen des Krimiautors Lawrence Block, dessen Novelle aus dem Jahr 1992 den Buchtitel „Endstation Friedhof“ trägt – ein Bulle vom New Yorker Polizeikommissariat und Säufer, dessen Querschläger das unbekannte kleine Mädchen auf der Stelle aus dem Leben reißt, und Matts darauffolgender Griff zur Flasche, einen zu vergessenden Albtraum bedient. Für diesen Einsatz erhält er vom Beamtenapparat eine Belobigung, aber die Erinnerung an dieses schreckliche Ereignis kann er nicht von sich weisen. Man kann sagen, dass die Dämonen des Verbrechertums, die er Zeit seines Lebens verfolgt und aufspürt, ihn wohlan selbst heimsuchen.
Ruhet in Frieden: Asphalt-Cowboy
Das ist ein Charakter der vor rund 28 Jahren von Jeff Bridges in „8 Millionen Wege zu sterben“, 1986, untersucht wird. Und im gleichen Atemzug ist zu erwähnen, dass dieser Streifen „Ruhet in Frieden“ gleicht, und der Autor derselbe ist: Block, der die Tragik in das Zentrum seiner Krimis stellt. Aber wenn Sie sich für einen Film über (Serien)Mörder und dessen Männer, die diese jagen, verpflichten, erwarten Sie etwas Optimismus? Wohl kaum. „Ruhet in Frieden” ist synchron auch so grauenvoll düster wie morbid. Die Folgen von Scudders Hergang ermächtigen ihn den Verein der „Anonymen Alkoholiker” (AA) beizutreten. Er quittiert seine Arbeit als Cop und ist seitdem nüchtern.
Ein Anfang. Aber er ist nur die Hülle eines Mannes, ein Schatten seiner selbst. Und so übernimmt er Fälle mit denen niemand in Kontakt kommen will, jagt das Seelenheil und stellt fest, dass, je näher er dieser Empfindung kommt desto unerreichbarer sie zu ergreifen scheint – bildlich ausgedrückt. In der Rolle des abgebrannten Ermittlers findet er den eigentlichen Grund des Geschehens – häufig mit Zwischenfällen – heraus und entdeckt den Täter. Realistische Handlungsorte und gesellschaftliche Situationen des Brutalo-Krimis, das heißt, die Anpassung an die jeweiligen „historisch-gesellschaftlichen Bedingungen seiner Entstehungszeit“ sind weitere Punkte. Der Animus für die Vor-Ort-Begehung ist auch hervorragend in dem Film. Wenn Sie nicht immer wissen, wo Sie sich befinden, von Block zu Block schleichend, wissen Sie zumindest, dass die Straßen und Stadtteile real sind.
Ruhet in Frieden: Heiße Spur
Nun, acht Jahre später, 1999, nachdem er das Starkbier zur Seite geschoben hat, wird Scudder durch die Kristo Brüder angesprochen. Peter (Boyd Holbrook) – „Gone Girl – Das perfekte Opfer“, 2014, – ist der Junkie-Bruder und Künstler, der Scudder bei der Stiftung der AA trifft. Kenny (Dan Stevens) – „InsideWikiLeaks – Die fünfte Gewalt“, 2013, – ist ein Drogendealer, der sich offiziell als Betreiber einer Baugesellschaft vorstellt, und dessen Frau vor kurzem entführt und in kleine Stücke zurück geschnitten wird, seitdem er das Lösegeld feilscht. Statt 1 Million Dollar berappt er den Wahnsinningen nur 400.000 Dollar. Kenny beauftragt Scudder just, um die Mörder zu finden. Ein Pärchen von Psychos namens Ray (David Harbour) – „The Equalizer“, 2014, und Albert (Adam David Thompson) – „All Wifed Out“, 2012, um beide auf dieselbe Weise hinzurichten wie seine Frau.
Nach einem Zeitraum von anfänglicher Zurückhaltung erklärt sich Scudder bereit und ist bald davon überzeugt, dass nicht nur das Abschlachten des Duos angesagt ist, die längst zwei andere Frauen dahinmetzeln, aber, dass sie sich höchstwahrscheinlich andere Opfer vor die Flinte holen und wieder Filets zubereiten. „Ruhet in Frieden“ sucht mehr den innerlichen Siedepunkt als das er rasant ist, obwohl, es gibt Action-Sequenzen, die mit länger schwelenden Spannungen temporeich aufflackern, vor allem gegen Ende. Das ist Neo-Noir wie es nur selten aufgeführt wird, da diese Art von Film in der Regel zu blutig und zu abstoßend für das massenkompatible Publikum ist. Es gibt einige Filme, die Sie für ihre Kunst, Kühnheit, Können und Zielstrebigkeit zu schätzen wissen. „Ruhet in Frieden“ ist einer von jenen Filmen.
„Filetiermaschinen“ ziehen die Fäden
Bei einigen Filmen glauben Sie, dass Sie sie schon vorher gesehen haben, weil es Ihnen so vorkommt, dass Sie denselben Plot aufgetischt bekommen, den Sie letztes Wochenende gesehen haben. Und so warten Sie auf ein Zeichen, dass die Version, auf irgendeine Weise, besonders ist. „Ruhet in Frieden“ verabreicht Ihnen eine Vorahnung, nicht auf der Hand liegend, dass ein pechschwarzes Verständnis am Werk ist. Die Saiten in der Partitur harmonieren gut mit dem Xylophon, stauben einen sinnträchtigen Hauch von Geheimnis auf. Aber die sicherste Indiz dafür, dass der Thriller in einer verdünnten Zone von Vertrauen operiert, beinhaltet eine einfache Totale in Mihai Mălaimare Jrs. Kinematographie von Liam Neeson, der den Bürgersteig im Sunset Park, Brooklyn, dahinstapft. Frank hält die Kamera auf Neeson, der sich durch das Bild bewegt und finstere Patienten von Scudders Haltung und Statur anzieht. Ehrfurcht durchflutet den Bildschirm. Es ist als ob Frank diesen Schauspieler noch nie gesehen hat und möchte die starke Attraktion seiner Körperlichkeit gebührend darreichen.
Das Objektiv blickt auch von einer Wohnung in die andere. Dieser einfache Linsen-Trick fühlt sich wie eine häusliche Handlung von vergänglicher Gewalt an. Jedes Mal, wenn Neeson einen Gang zur Erholung promeniert, bringt ihn Frank unter. Der Regisseur behandelt das meiste des Krimis mit ähnlicher Köstlichkeit, Wärme und Aufmerksamkeit zu den Macken der Persönlichkeit. Das ist sagenhaft bedenklich, was für ein düsteres Stück des Geschäfts der Streifen offenbart. Man kann es so einfach sagen. Aber nicht jeder Neeson-Film kümmert sich darum, um diese Schattenwelt zu transportieren. Scudder ist kompromisslos und Neeson spielt ihn ohne ein Lächeln oder führt uns zum Glauben, dass er in der Lage ist je noch einen Moment der Freude zu erfahren. Scudder ist nachdenklich, anmutig und abgeklärt. Nichts bringt ihn durcheinander, aber er ist auch nicht zynisch abgestumpft.
Pfannkuchen-Detektiv und Spendierhosen
Der Trailer, in seiner Oberflächlichkeit, lässt Scudder wie einen Klon von Bryan Mills (sein Charakter in „96 Hours“, 2008) wirken, aber die einzigen echten Zusammenhänge sind, dass sie gleich aussehen und keiner abgeneigt ist die Applikation von Gewaltverherrlichung mitzuberücksichtigen, um seine Ziele zu erreichen. Auf der rein narrativen Ebene gibt es einige Schluckaufs. Die mehreren Rückblenden werden zugunsten Scudders genau beschrieben, um den Hintergrundinformations-Fluss der Geschichte zu unterbrechen, aufgrund der Welt der Drogen, Verbrechen, Prostitution und Zuhälterei.
Scott Frank fängt leise das Gefühl des paranoiden Unheils in der Luft ein. Er adjustiert das Gewicht der Atmosphäre. Er vertieft und verdunkelt so weit. Es ist ein kluger Spannungsbogen – Motive zu verdoppeln. Eine Nebenhandlung mit dem Jungen TJ (Brian „Astro“ Bradley) – „Earth to Echo“, 2014, ist hineingezwängt. TJs Integration soll Scudders verborgene Humanität in den Vordergrund heben, die, wie sie sich entwickelt, nicht wirklich funktioniert. Letzlich soll sie auch nicht funktionieren. Matt ist gegenüber TJ der heilige Schutzpatron, Vaterfigur und Held, sodass er sich nicht über Umwege in diesem unethischen, schäbigen und verwahrlosten Milieu wieder findet.
Franks Halsabschneider-Thriller bestätigt die Art der schmuddelig-heruntergekommenen Straflandschaft, die er bevorzugt – und wir – das Publikum, möchten einen Jugendlichen dort nicht aufgehoben wissen. Schließlich ist Franks Entscheidung, eine Stimme aus dem Off einzuspeisen, um das 12-Schritte-Programm des katholischen AA-Klüngels vorzutragen, während der Höhepunkt anspruchsvoll, offensichtlich und metaphorisch beim majestätischen Green-Wood-Gottesacker vonstatten geht. Für den Zuschauer jedoch ist Franks Bereitschaft dunkel und dort liegt eine der Stärken des Films. Hier geht es um einen verwundeten Krieger im Angesicht des Todes und nicht darum, sich zu kümmern, falls es ihn erwischt. Die Kamera kann eben nicht genug bekommen, nicht nur von Neesons Gesicht, auch die harten Konturen Bradleys. Sie sucht diese Männer für Notizen von gut und böse. „Ruhet in Frieden – A Walk Among The Tombstones“ erkennt die finsteren Aspekte der menschlichen Existenz, ohne mit der Wimper zu zucken. Es ist ein harter aber lohnender Film, wenn der Appell ruft.
Das erstaunliche Leben des Zerberus
Ein verdächtig wirkender Friedhofs-Pförtner namens Jonas Loogan (Ólafur Ólafsson Darri) – „Contraband“, 2012, und die obdachlose jugendliche Waise TJ, der sich selbst zu Scudders Handlanger ernennt. Alle drei Akteure sind sehr gut, vor allem Bradley, der seine Umgangssprache mit einem starken Brooklyn-Akzent (im Original) ausspuckt. Scott Frank bewillligt dem Charakter sowohl Straßen-Intelligenz als auch Verwunderung. TJ hat kleine und erzählende Rhythmen. Bei einem ihrer ersten Treffen, zum Beispiel, sagt er zu Scudder, dass der Name „Daunte Culpepper“ (ein ehemaliger American-Football-Spieler) besser für die Welt der privaten Schnüffler geeignet ist als für die NFL. Tatsächlich, der Film ist im Jahr 1999 festgelegt, dem Beginn von Culpeppers Karriere und nicht weit von der Jahrtausendwende entfernt.
Frank riskiert nicht einen ganzen Film auf Nostalgie zu sein. „Ruhet in Frieden“ verwaltet seine Standesgenossen unschuldig zu sein, um gleichzeitig in Kommunikation mit ihresgleichen zu sein. Wenn ein durchgeknallter Schnösel ihn betrachtet und mit einem Messer bedroht, benötigt Neeson keine Action-Sequenz, um ihn zu entwaffnen, gerade nur etwas von einer ruhigen Wortwahl. Seine lässige Härte und Wucht drückt den Film im Herrschaftsbereich zu Frank allgemein bekannt aus. Sie sind beide fantastisch. Die Art von Hollywood-Kino versucht die Entsetzlichkeit, die Schwere, die völlig durchgedrehte Qualität einiger Menschen, die moralische Gelbsucht und den Realismus einzufangen. Ein Gewalt-Drama, das nicht seinen Schwanz rausholt, sondern mit der Axt zerstückelt. Nicht, dass solche Filme Vergnügen bereiten, aber Authentizität aufzeigen.
Ruhet in Frieden – A Walk Among The Tombstones; OT: A Walk Among The Tombstones, USA 2014; Länge: 114 Min.; Regie: Scott Frank; Darsteller: Liam Neeson, Dan Stevens, Boyd Holbrook, Ólafur Darri Ólafsson, Maurice Compte, David Harbour, Brian Bradley, Whitney Able; Drehbuch: Scott Frank, Lawrence Block; Kamera: Mihai Adrian Mălaimare Jr.; Musik: Carlos Rafael Rivera; Produktion: Guy East, Kate Bacon, John W. Hyde, Mark Mallouk; Schnitt: Jill Savitt; Genre: Thriller-Krimi-Drama; FSK: ab 16; Verleih: Universal Film, GmbH; auf DVD